Verfahrensregeln zur Entwicklung von "Klug entscheiden"-Empfehlungen

Präambel

Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) verfolgt mit ihrer Initiative „Klug entscheiden“ das Ziel, die Indikationsqualität der medizinischen Versorgung und die Therapiesicherheit von Patienten in Deutschland punktuell, aber nachhaltig zu verbessern. Eine Konsensus-Kommission erarbeitet "Klug entscheiden"-Empfehlungen (KEE), die einzelne Maßnahmen in Diagnostik und Therapie adressieren, die Gegenstand von Überversorgung bzw. Unterversorgung sind. Nach DGIM-Kriterien werden Überversorgung und Unterversorgung wie folgt definiert:

• Überversorgung (überflüssige Leistung): Häufig durchgeführte diagnostische/therapeutische Maßnahme, obwohl sie wissenschaftlich nachweislich nicht nutzbringend oder sogar schädlich ist. Es resultiert eine Negativempfehlung.

• Unterversorgung (unterlassene Leistung): Häufig unterlassene diagnostisch/therapeutische Maßnahme, deren Nutzen wissenschaftlich belegt ist. Hieraus resultiert eine Positivempfehlung.

KEE stellen keinen Ersatz für Leitlinien dar, sie haben keinen Richtliniencharakter, und sie ersetzen nicht die individualisierten Entscheidungen aufgrund ärztlicher Erfahrung in einer spezifischen Situation einzelner Patienten und Patientinnen. KEE sind nicht für Priorisierungs- und Rationierungsüberlegungen geeignet. Sie sind nicht ökonomisch motiviert, können aber Ressourcen schonen oder freisetzen.

1. Konsensus-Kommission "Klug entscheiden"

Der Konsensus-Kommission "Klug entscheiden" gehören jeweils ein Vertreter und ein Stellvertreter aller Schwerpunkte der Inneren Medizin und der assoziierten Gesellschaften der Inneren Medizin (Geriatrie/Internistische Intensivmedizin), sowie der Ernährungsmedizin, der Palliativmedizin, der Patientenvertretung, des BDI, der AG Hausärztliche Internisten und der AG Junge DGIM an. Die Kommission wird methodisch unterstützt durch die AWMF. Die "Klug entscheiden"-Empfehlungen der DGIM werden von den Mitgliedern der Kommission eingebracht und vorbereitet, und dann diskutiert und schließlich verabschiedet und publiziert.

2. Erstellung von "Klug entscheiden"-Empfehlungen

Im Rahmen des Konsensus-Prozesses müssen folgende Voraussetzungen für die Verabschiedung einer KEE (Positiv- oder Negativempfehlung) gegeben sein: 1 Die Schwerpunktgesellschaften bringen Vorschläge für KEE zur Beratung ein. Sie können aus fachspezifischen Leitlinien abgeleitet sein, müssen es aber nicht. Sie dürfen bestehenden Leitlinien nicht widersprechen. Die entworfenen KEE müssen den aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis wiedergeben und den Standards der evidenzbasierten Medizin gehorchen. Vor Einreichen des Vorschlags muss geprüft werden, ob in einem anderen Fach zum selben Thema bereits Leitlinien bestehen. Etwaige Konflikte sollen vermieden werden bzw. müssen benannt und zur Diskussion gestellt werden.

Vorschläge für neue KEE müssen bei der Einreichung folgende Elemente enthalten:

1. Eine Überschrift, die die angesprochene Maßnahme und den klinischen Kontext enthält (Kurztitel)

2. Den eigentlichen Empfehlungstext

3. Einen Begründungs- oder Erläuterungstext

4. Literatur

5. Die explizite Beschäftigung mit den vier Leitfragen für KEE (Voraussetzungen für die Auseinandersetzung mit allen Empfehlungen):

5.1. Was ist das besondere Kriterium / sind die besonderen Kriterien, diese KEE aus allen thematisch verwandten Empfehlungen z.B. in Leitlinien herauszuheben? Welche Kriterien zusätzlich zur verfügbaren Evidenz gibt es, auf die eine KE basiert werden kann?

5.2. Welche Kräfte verursachen die adressierte Fehlversorgung? Mit welchen Widerständen ist daher bei der Umsetzung bzw. Implementierung zu rechnen?

5.3. Welche spezifischen Maßnahmen sind für die Umsetzung bzw. Implementierung der KEE sinnvoll und erforderlich.

5.4. Ließe sich die Erreichung des angestrebten Ziels im Prinzip empirisch messen? Gibt es Routinedaten, aus denen sich die Zielerreichung ableiten lässt? Welche zusätzlichen Messinstrumente wären sinnvoll und erforderlich

(2) Vor der inhaltlichen Diskussion einer vorgeschlagenen KEE steht die gemeinsame Diskussion über ihre herausgehobene Bedeutung (Voraussetzungen für die Auseinandersetzung mit der Empfehlung, s. redaktionelle Vorgaben), die bereits mit dem Vorschlag benannt werden muss. Die herausgehobene Bedeutung kann aus verschiedenen Kriterien abgeleitet sein (s. Manual der AWMF1 , s. Publikation Jan Galle 2015). Der vorschlagende Vertreter der Kommission muss die Kommission aber jeweils aktuell davon überzeugen, dass zu diesem Thema eine KEE erstellt werden soll.

(3) Eine KEE soll sich auf eine spezifische Maßnahme beziehen, für die Unter- oder Überversorgung besteht, so dass entweder eine Negativ- oder eine Positiv-Empfehlung möglich ist. Die Fehlversorgung muss mit dem Vorschlag plausibel gemacht werden. Nur in den seltensten Fällen wird dafür empirische Evidenz vorliegen, aber die Konsensus-Kommission muss zu der Einschätzung kommen, dass die zugrundeliegende Über- oder Unterversorgung bedeutsam ist.

(4) Die Vorschläge für KEE werden in der Konsensus-Kommission diskutiert. Die Ergebnisse werden stichwortartig protokolliert und ggf. mit der Bitte um Überarbeitung in die vorschlagende Schwerpunktgesellschaft zurückverwiesen. Bei erneutem Diskussionsbedarf wird die KEE nochmals in der Konsensus-Sitzung vorgestellt und abschließend von allen Schwerpunkten und beteiligten assoziierten Gesellschaften konsentiert oder gegebenenfalls verworfen.

(5) KEE richten sich zunächst an ärztliches Publikum. Eine Aufbereitung der Inhalte für Patient:innen oder Angehörige ist erstrebenswert.

3. Aktualisierung der KEE

Die Schwerpunktgesellschaften prüfen nach Erinnerung durch die Geschäftsstelle alle drei Jahre, ob die herausgegebenen KEE noch aktuell sind, d.h. ob sie weiter in Geltung bleiben sollen bzw. ob sie verändert werden sollen. Sie werden an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst. Aktualisierungen werden schriftlich begründet. Die Konsentierung erfolgt im Anschluss digital im Umlauf. Bei angezeigtem Diskussionsbedarf wird das Thema im nächsten Meeting aufgegriffen. Es muss deutlich gemacht werden, warum die Empfehlung ersetzt, und was geändert wurde.

4. Publikations- und Verwertungskaskade/Fortbildungsmaßnahmen

(1) Verpflichtende Erstveröffentlichung neuer KEE nur in den speziell ausgewiesenen Sitzungen auf dem Jahreskongress der DGIM.

(2) Zeitgleiche oder sehr zeitnahe Publikation im Deutschen Ärzteblatt wird angestrebt.

(3) Vorrangige Zweitverwertung erfolgt in Kongresssymposien (DGIM-Kongress), im DGIMTalk (in Kooperation mit STREAMED UP), ggf. im DGIM CME-Kurs „Klug entscheiden“ 2 sowie in einem Webinar (in Kooperation mit der DGIM e.Akademie).

(4) Mögliche Drittverwertung z.B. in den Sonderheften „Die Innere Medizin“, in der APP "Facharzt-Training" zur Facharztprüfungsvorbereitung (derzeit in Entwicklung) oder anderen Organen (Beispiel MMW im April 2022).

(5) "Klug entscheiden"-Empfehlungen werden auf einer eigenen Webseite präsentiert www.klug-entscheiden.com. Es wird eine Online-Lösung angestrebt, in der die aktuellen KEE, ihre Begründungen, die Diskussion über ihre besondere Bedeutung und die Publikationshistorie sichtbar sind. Auch zurückgezogene KEE als solche sollten sichtbar sein, incl. Begründung über ihre Außerdienststellung.

(6) “Klug entscheiden”-Empfehlungen werden in enger Abstimmung auf der Plattform AMBOSS sichtbar gemacht.

5. Redaktionelles Vorgehen

Jedes Mitglied der Konsensus-Kommission und jeder an der Erarbeitung oder Überarbeitung Beteiligte erhält über die DGIM einen Teams Zugang zur Einreichung, bzw. Überarbeitung der Empfehlungen. Die einzelnen Empfehlungen können über die Mastertabelle aufgerufen und als Vorbereitung zu einer Konsensus-Sitzung kommentiert werden. Konsentierung durch die Fachvertreter am:

 

31.01.2024

(Konsensus-Kommission)

Fußnoten

1  Das AWMF-Manual „Entwicklung von Empfehlungen im Rahmen der Initiative Gemeinsam klug entscheiden“ wurde unter DGIM-Mitarbeit entwickelt
    und ist als Hilfestellung für die Erstellung von KEE gedacht.
CME Fall: einzuhaltende Kriterien:

  • Fallvignette zur angegebenen KE
  • 5 Antwortmöglichkeiten (richtig oder falsch)
  • eine richtige oder falsche Antwort markieren
  • Feedback warum die Antwort richtig oder falsch ist, entweder als antwortbezogenes Feedback (spezifisch pro Antwortoption) oder als Komplettlösung (Lösungstext richtig oder falsch). Die Leser lieben das antwortbezogene Feedback.
  • anliegende COI-Erklärung, ausgefüllt

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