Ein akuter Myokardinfarkt wird verursacht durch das Missverhältnis von Sauerstoff- und Substratangebot und dem Bedarf des Herzens und führt zu Ischämie und myokardialem Zelltod. Unter der Rationale, dass die Gabe von Sauerstoff das Sauerstoffangebot im ischämischen Myokard erhöht und damit den kardialen Schaden limitiert, wurde über Jahrzehnte bei Verdacht auf Myokardinfarkt routinemäßig Sauerstoff appliziert. Studien und Analysen der letzten Jahre konnten jedoch zeigen, dass die routinemäßige Gabe von Sauerstoff zu einer Ausweitung der Infarktgröße führt und potenziell schädlich ist (76, 77). Hochnormale Sauerstoffkonzentrationen im Blut können zu einer koronaren Vasokonstriktion (78) und zu einer vermehrten Produktion freier Sauerstoffradikale führen (79). Aber auch bei Patienten mit einer stabilen koronaren Herzkrankheit führt die Sauerstoffzufuhr mit einer FiO2 von 1,0 zu einer Abnahme des koronaren Blutflusses während der Herzkatheteruntersuchung um 30 % (80). Darüber hinaus konnte in einer großen randomisierten Studie gezeigt werden, dass die Gabe von Sauerstoff bei Patienten mit Verdacht auf Infarkt und einer Sättigung ≥ 90 % keinen Effekt auf die 1-Jahres-Mortalität oder die Rate der Rehospitalisierung nach Infarkt hat (81). Vor diesem Hintergrund soll bei hämodynamisch und respiratorisch stabilen Patienten im akuten Myokardinfarkt bei einer Sauerstoffsättigung ≥ 90 % keine routinemäßige Sauerstoffgabe erfolgen.