Ein wesentliches Ziel der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) ist die kontinuierliche und nachhaltige Verbesserung der medizinischen Versorgung. Während die aktuellen Maßnahmen der Qualitätssicherung von politischer Seite auf Struktur- und Ergebnisqualität fokussiert sind, möchte die DGIM mit ihrer Qualitätsoffensive „Klug entscheiden“ auf die Relevanz der Indikationsqualität hinweisen und diese sicherstellen. Schließlich kann ein Behandlungsergebnis nur dann als wirklich gut betrachtet werden, wenn auch die Indikation stimmt.
„Klug entscheiden“ identifiziert wichtige evidenzbasierte Maßnahmen der Diagnostik und Therapie, die häufig nicht fachgerecht erbracht werden (1). Darunter versteht man einerseits wissenschaftlich belegte diagnostische/therapeutische Maßnahmen, die zu selten angeboten werden (Unterversorgung) und andererseits Leistungen, die erbracht werden, obwohl sie wissenschaftlich für die individuelle Situation als unwirksam erkannt wurden und deshalb nicht angewendet werden sollten (Überversorgung). Die Initiative der DGIM ist inspiriert durch das amerikanische Choosing-Wisely-Programm, das 2012 vom American Board of Internal Medicine (ABMI) ins Leben gerufen wurde. Dieses Programm adressiert ausschließlich den Aspekt der Überversorgung, in dem mehr als 50 Fachgesellschaften jeweils „Top-5-Listen“ (Negativlisten) erstellt haben (2-4).
Nach DGIM-Kriterien ist Überversorgung (überflüssige Leistung) definiert als eine diagnostische/therapeutische Maßnahme, die häufig durchgeführt wird, obwohl sie nachweislich nicht nutzbringend oder sogar schädlich ist. Hieraus resultiert eine Negativempfehlung. Unterversorgung (unterlassene Leistung) ist eine diagnostische/therapeutische Maßnahme, die häufig nicht durchgeführt wird, obwohl sie nachweislich für den Patienten sinnvoll ist. Hieraus resultiert eine Positivempfehlung. Über- und Unterversorgung sind daher einerseits charakterisiert durch die vorhandene Evidenz, andererseits durch die Häufigkeit der Fehlversorgung.